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Lartrienen- & Fäkalienwagen der Länderbahnen

"Goldgräber" nannte man im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts in den deutschen Städten die "Leerer" von Abtrittsgruben. Deren Inhalt war auf dem Lande zur damaligen Zeit begehrter Dünger und schon sehr bald übernahm die Bahn den Transport des "stinkenden Goldes". Hierzu wurden die gesammelten Fäkalien von dafür vorhandenen Sonderfahrzeugen der Stadtverwaltungen bei den Anwesen abgeholt. Danach wurden diese meist am Stadtrand in speziellen Abfüllstationen in die bereit stehenden, zunächst noch bahneigenen, Latrinenwagen umgepumpt.Von hieraus erfolgte der Transport der anrüchigen Fracht zu besonderen, meist betonierten Sammelgruben in ländlichen Bereichen. Nach einer befristeten Zwischenlagerung wurde der Inhalt dann an die Landwirtschaft abgegeben (verkauft).

Württemberg

Im Bestand der einzelnen Bahnverwaltungen befanden sich hierzu eine Wagengattung an Spezialwagen, welche zum Beispiel bei der K.W.St.E. in der Gattung "Litara J" eingereiht waren. Die Spezialwagen der Königlich Württembergischen Staatseisenbahn wurden auf den gleichen Untergestellen wie die zu dieser Zeit gebauten offenen Güterwagen, mit einer Länge (über die Puffer) von 8450 mm und einem Achsstand von 3600 mm, montiert. Auf einer Ladefläche von 18m² waren auf einem verstrebten Holzgerüst, konische und schräg gelagerte Fässer mit einem Fassungsvermögen von je 3000 Litern montiert. Die Latrinewagen hatten ein durchschnittliches Eigengewicht von ca. 8600 kg und eine Tragfähigkeit von 10 000 kg. Alle Wagen dieser Art waren mit einer über einen Spindelbock betriebenen Handbremse ausgestattet. Jedes Fass hatte am höchsten Punkt (oben) eine Einfüllöffnung und am anderen Ende einen Ablauf. Der Ablauf war mit einer Hebelmechanik ausgerüstet.

Typenzeichnung der ersten Latrinenwagen von 1861 bis 1866

Diese Spezialwagen waren mitunter in doch erheblichen Stückzahlen bei den einzelnen Bahnverwaltungen im Bestand. Im Laufe der Zeit gab es noch verschiedene andere Bauarten bei der K.W.St.E. die aber sich an den ersten Fahrzeugen orientierten und nur in den Abmaßen verändert wurden. In dieser Form waren diese Spezialwagen als Privatwagen noch bis in die zwanziger Jahre im Dienst. Abgelöst wurden sie erst später durch Spezialwagen mit rechteckigem Aufbau, welche auch wiederum bis in die fünfziger Jahre ihren Dienst taten.Auf Grund der doch recht unangenehmen Geruchsbelästigung wurden diese zum Teil schon in der Form von Ganzzügen betrieben, vereinzelt wurden sie aber auch normalen Güter- und Personenzügen mit Güterbeförderung (GmP) beigestellt.

Latrinenwagen, auch Fäkalien-, Jauche- oder Düngerwagen genannt, sind heutzutage eine fast vergessene Wagengattung.Dies hat mehrere Gründe, zum einen waren diese Wagen in der Folge privat eingestellt(z.B. von den Stadtverwaltungen), zum zweiten war ihre Bauart bei den einzelnen Bahnverwaltungen sehr unterschiedlich. Da von diesen Spezialwagen nur sehr wenig Unterlagen und Wagenstandsbücher erhalten sind, ist die Suche nach ihnen heute erheblich erschwert.Fast überhaupt nicht vorhanden sind Fotos dieser Wagen aus der Länderbahnzeit. Verständlicherweise gab es schönere Motive für Eisenbahnfotographen der damaligen Zeit, als übelriechende auf abseits der Magistralen liegenden Abfüll- und Entleerstationen. Deshalb ist die Auflistung in diesem Beitrag sicher lückenhaft und erhebt daher auch nicht den Anspruch der Vollständigkeit.Die Latrinenwagen lassen sich in drei Kategorien aufteilen: Fass- oder Bottichwagen (mit hölzernen Aufbauten), Tankwagen (mit stählernen Behältern)- und offene Wagen. Die Wagenuntergestelle waren in jedem Fall zweiachsig.

Bayern

Im Wagenverzeichnis sind unter der Bezeichnung "Fäkalienwagen" zwei Typen von Tankwagen verzeichnet. Sie hatten identische Längen (7924 mm ü. P.), Achsstände (3590 mm) und Ladegewichte (10 t). Die zusammen 66 Wagen dürften wohl zur Entsorgung der größeren Städte des Königreichs Bayern ausgereicht haben. Bei diesen Spezialwagen gab es gebremste und auch ungebremste Ausführungen. Die gebremsten Wagen verfügten über ein Bremserhaus des bayerischen Einheitstyps. Ihre Fahrgestelle stammten von offenen Güterwagen der ehemaligen Ostbahn aus den Jahren 1859-1873. Ab 1913 wurden die Wagen als Bay. 82234/5 (gebremst) bzw. 82236-9 beschriftet. Ihre Kessel bestanden jeweils aus fünf oben gerade, unten konisch geformten, ineinander geschobenen Schüssen, deren Durchmesser zur Mitte hin zunahm. Sie fassten 10 (Nr.: 82234) bzw. 9,6 m³ Inhalt. Die Befestigung auf dem Fahrgestell erfolgte durch vier Querträger.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der mittlere Kesselschuss besaß oben eine Einfüllöffnung mit Deckel, unten war er mit einem Auslauf versehen, der zu den Seiten des Wagens mit Handrädern

Auf halber Höhe des Kessels waren auf beiden Seiten Stehbretter vorhanden, zu denen je eine kleine Leiter führte, die dazugehörigen Handläufe waren im hohen Bogen über den Kessel geführt. Zwei diagonal verlaufende Stangenan den Kesselseitenfixiert.

Preußen

Die restlichen 60 Wagen nach dem Blatt 379 des Wagenverzeichnisses (Nr. Bay 82240 bis 82302 ohne 82276 und -86) waren bis auf einen gebremst. dieser, Nr. 82302, muss mit einem etwas abweichenden Kessel ausgestattet gewesen sein, da die Füllmenge mit 9,6 m³ angegeben war, bei den übrigen mit 9,7 m³ bzw. 10 m³. Alle Wagen wurden von 1897 bis 1908 aus verschiedenen Güterwagen

 

umgebaut, die Unterschiede zu den Wagen des Blattes 378 des Wagenverzeichnisses bildeten die geschlossenen Längsstützen des Kessels und die gewölbten Kesselböden. Da der Kessel mit 45° Winkel angebrachten Stützblechen vernietet war, waren keinerlei weitere Verstrebungen erforderlich. Die Ablaufrohre waren bei dieser Art leicht geneigt angeordnet.

verschließbare Auslässe besaß. Die Stirnseiten des Kessels waren flach, wobei die dem Bremserhaus abgewande Seite eine Wartungsklappe besaß.

Abbildung der Bauform zwischen 1897 und 1908 Sammlung Dr. Hufnagel

Bei der Preußischen Bahnverwaltung sind nur zwei Typen Latrinenwagen bekannt. Der eine wurde 1905 bei der Waggonfabrik "Gebrüder Gastell" in Mainz- Mombach gebaut und war ein Einzelstück. Der als Mainz 502058 eingereihte Wagen war auf einem den preußischen Normalien entsprechenden Untergestell mit Bremserhaus und 3750 mm Achsstand aufgebaut. Dieser trug zwei größere hölzerne Bottiche für je

5 t Inhalt, diese wurden durch Stangen und Streben fixiert. Jeder der Bottiche war mit einem Füllstandanzeiger und einem Auslass mit Schließventil ausgerüstet, die Beladung dürfte über Klappen im Deckel stattgefunden haben. Vom zweiten bekannten preußischen Wagentyp verzeichnet das Wagenbuch der Königlichen Eisenbahndirektion Stettin vier Exemplare, die die Nummern 502571 bis -4 trugen. Die 7 m langen "Düngerwagen" hatten 3 m Achsstand und ein Ladegewicht von 10 t. Sie waren 1899 von der Firma "Gebr. Hoffmann & Co." hergestellt worden. Neben einem Bremserhaus nach preußischen Normalien trugen sie einen vermutlich stählernen Tank von 5 m Länge und 12,2 m³ Fassungsvermögen. Sein Querschnitt war rechteckig mit abgerundeten Ecken und einem leicht gewölbten Deckelblech. Zur Beladung wurden zwei Deckel rechts und links der Längsachse angebracht.

Skizze eines weiteren preußischen Wagens der KED Stettin Sammlung Hoyer

Preußischer Latrinenwagen von 1905 Sammlung Hoyer

Sachsen

Bei der Königlich Sächsischen Staatseisenbahn sind die meisten dieser Spezialwagen bekannt. Vor allem die "Düngerexportgesellschaft zu Dresden" hatte einige Wagen für den Fäkalientransport bei der Staatsbahn eingestellt, die sich in Typ und Baujahr grundlegend unterschieden. Die ältesten Fahrzeuge waren zwei Niederbordwagen, die 1876 von der Firma "Saxonia" in Radeberg bei Dresden gebaut worden waren (Blatt 488, Bahnnummer 23348 und -9). Mit ihnen wurde der in Fässer verpackte "Dünger" aufs Land transportiert. Die Längsträger der 8,3 m langen ungebremsten Wagen mit 4 m Achsstand bestanden aus Eisen, der Rest war eine Holzkonstruktion. Das Ladegewicht betrug immerhin 10 Tonnen. Ein Jahr danach lieferte dieselbe Firma Wagen an den gleichen Besteller, drei Wagen, die denen der Württembergischen Staatsbahn nachempfunden waren.Die Fahrzeuge mit den Bahnnummern 502247 bis -9 trugen je drei geneigt angeordnete Holzfässer mit einem Ladegewicht von zusammen 10 t, die Länge, Achsstand und Bauart des Fahrgestells entsprach in allem der der Flachwagen.1878 wurden dann weitere drei Wagen von "Saxonia" hergestellt, bei beiden Lieferungen waren je zwei Fahrzeuge mit Rangierbremse und einem offenen Rangierersitz ausgestattet, je ein Wagen war ungebremst. 1881 wurde dann ein weiterer ungebremster Wagen (Bahnnummer 502250 bis -2 bzw. -3 und -4) eingestellt, sodass die Firma insgesamt acht Wagen dieser Art in ihren Bestand hatte.

Fäkalienwagen der "Düngerexportgesellschaft zu Dresden" 1876/77 Archiv VM Dresden

Auf einem 1868 gebauten hölzernen Fahrgestell entstanden der Wagen 502240 (Blatt 595). Das kleine Fahrzeug mit 3 m Achsstand und einer Länge über Puffer von 6890 mm konnte ebenso 10 t Nutzlast transportieren. Der Spezialwagen war mit einem Bremsersitz ausgerüstet und hatte zum Transport der wichtigen Fracht zwei nebeneinander angeordnete Metallkessel. Die Düngerexportgesellschaft fuhr mit diesen Wagen zum Bahnhof Klotsche, dort wurden die Kessel auf je einen Schmalspurwagen 75 cm Spur der Strecke nach Königsbrück umgesetzt. Die ersten beiden dieser Wagen wurden 1885 aus offenen Güterwagen umgebaut.Die Zahl und Variantenvielfalt bei der Königlich Sächsischen Staatseisenbahn war weit größer als hier aufgeführt, so besaßen weitere Düngergesellschaften wie zum Beispiel die Leipziger Wagen in ähnlicher Form, die alle bei der Staatsbahn eingereiht waren.

Sächsischer Fäkalienwagen mit WechselbehälternArchiv VM Dresden                                                                 Schmalspurwagenmodell in H0e PMT

 

Badischer offner Fäkalienwagen

Kesselfäkalienwagen von 1891 Sachsen

Gunter Daßler

Modellbahn Studio- Thüringen

Nach dem Ersten Weltkrieg waren die vorhandenen Latrinenwagen oft überaltert, so dass die Deutsche Reichsbahn Gesellschaft neue bauen ließ, auf welche ich hier nicht weiter eingehen möchte.

Kesselfäkalienwagen von 1891 Sachsen

Badischer Kessel- Fäkalienwagen

Alle Originalfotos und Zeichnungen mit freundlicher Genehmigung des Eisenbahn-Journals - VGB

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